10. Dezember 2023: Ein Aufruf zur Achtung der Menschenwürde weltweit

Alice Froidevaux & Maja Hess

Gemeinsam mit den medico-Partnerorganisationen kämpfen wir für die Verwirklichung des universellen Menschenrechts auf Gesundheit und für das Recht auf ein Leben in Würde für alle. Dabei stehen wir konsequent auf der Seite des Völkerrechts. Im aktuellen Kontext brutaler Kriege weltweit und insbesondere in den medico-Projektregionen Naher und Mittlerer Osten, möchten wir am heutigen internationalen Tag der Menschenrechte einen speziellen Aufruf an die westliche Politik richten, alles dafür zu tun, dass das Völkerrecht eingehalten und die Zivilbevölkerung geschützt wird.


Der Westen kann sich keine Doppelstandards leisten


Im Umgang mit der aktuellen Gewalteskalation in Palästina und Israel zeigt der Westen seine Doppelstandards. Am 18. Oktober sagt Tsafrir Cohen, Geschäftsführer von medico international in Frankfurt in einem Interview: «Die Leute im Globalen Süden schauen sehr genau darauf, wie sich der Westen in diesem Konflikt verhält. Für sie ist das der Lackmustest, ob sich der Westen an seine eigenen Werte hält – oder ob er Menschenrechte nur dann ins Feld führt, wenn er seine Vormachtstellung und seine imperiale Lebensweise rechtfertigen will. Wenn wir da durchfallen, wird die Entfremdung zwischen dem Globalen Süden und dem Westen weiter zunehmen, was sich auch auf deutschen Strassen niederschlägt.» 
 
Fast zwei Monate später herrscht in Gaza eine totale humanitäre Katastrophe, über 1.5 Millionen Menschen sind auf der Flucht ohne sicheres Ziel und über 17'000 Menschen wurden bereits getötet. In Städten weltweit gehen die Menschen auf die Strasse, für einen gerechten Frieden im Nahen Osten, für einen sofortigen Waffenstillstand und für ein freies Palästina. Eine Antwort der westlichen Politik ist fatalerweise weitgehend ausgeblieben. Es wird klar: Wir fallen gerade durch diese Prüfung und nehmen die weitere Entfremdung in Kauf, die sich auch in unserer Gesellschaft in der Schweiz, in Europa, in den USA niederschlägt.
 
Diese zunehmende Entfremdung birgt in sich das Risiko einer weiteren Radikalisierung von Teilen der Gesellschaft im Globalen Süden, die frustriert und wütend ihre wachsende Entwürdigung erleben und erleiden müssen. «Wir reden über die Werte, auf die wir uns angeblich geeinigt haben, seit dem zweiten Weltkrieg. Aber inzwischen sind wir nicht mehr so gut darin, zu verstecken, dass wir diese Werte nur selektiv einsetzen. Die Menschen verlieren das Vertrauen in uns, und wenn sie das Vertrauen in uns verlieren, werden sie sich nicht mehr an diese Werte halten wollen,» beschreibt es die amerikanisch-deutsche, jüdische Schriftstellerin Deborah Feldman. Beispielhaft dafür steht ein TikTok-Video aus dem Libanon, in welchem eine junge Frau still der Reihe nach Zettel mit den Aufschriften «United Nations», «Human Rights», «Media», «International Community» und «Arab Unity» zerreisst.
 
Die Frustration über das Versagen der westlichen Politik und die Sorge über die Machtlosigkeit von internationalen Institutionen sind riesig und machen Angst. Wer denn kann dem schrecklichen Töten tausender von Menschen in Gaza und der Entwürdigung der Überlebenden etwas entgegensetzen? Wie können wir uns noch vehementer für die Freilassung aller Geiseln, einen unbefristeten Waffenstillstand und eine politische Lösung der aktuellen Situation einsetzen, wenn die USA und die mächtigen Staaten des Westens dies nicht tun?

Wir werden weiter unsere Stimme erheben


Wir dürfen auf keinen Fall das Feld der humanitären Intervention einem Land wie der Türkei überlassen, das mit einem Frachter beladen mit 500 Tonnen medizinischer Hilfsgüter Richtung Gazastreifen unterwegs ist und vor Ort ein Feldlazarett zur medizinischen Versorgung zehntausender verletzter Zivilist*innen plant. Seit Jahren unterstützt die Türkei die islamistische Hamas in Gaza mit Geld und Infrastrukturprojekten, nennt diese ‹Freiheitskämpfer›. Gleichzeitig setzt sie in Rojava, Nordostsyrien, dschihadistische Söldner und Drohnen ein im Krieg gegen die kurdische Bewegung und Zivilbevölkerung und deren Bemühungen für eine demokratische, inklusive Gesellschaft.
 
Und wir dürfen das Feld des öffentlichen Diskurses nicht rechten und hetzerischen Stimmen überlassen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Akteur*innen und Räume, die Stimmen von Minderheiten und unterdrückten Bevölkerungsgruppen in den Fokus stellen, eine Gegenöffentlichkeit zum Diskurs monopolistischer Medienkonzerne schaffen und einen kritischen Dialog fördern, auch von der Schweizer Regierung und öffentlichen Stellen abgestraft werden. Für den Schutz von Demokratie und Frieden sind Basisorganisationen und alternative Medien essentiell. Wie kann es sein, dass Menschen, Bewegungen und Organisationen, die sich konsequent für die Menschen- und Frauenrechte, für inklusive Gesellschaften und für den Frieden einsetzen, im aktuellen Kontext unter Generalverdacht stehen, pro Hamas und antisemitisch zu sein?
 
Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen in Israel und Palästina, in Kurdistan, Vietnam, Mexiko, Guatemala, El Salvador, Nicaragua und Kuba werden wir immer unsere Stimme erheben, gegen jegliche Form von Unterdrückung und Entmenschlichung, und gegen kolonialistische, rassistische, antisemitische und genderbasierte Gewalt.

Unsere Solidarität im Kampf für die absolute und bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle, für mehr globale Gerechtigkeit und für eine offene und inklusive Gesellschaft ist und bleibt unteilbar!

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