Der drohende Rückzug der Schweiz von der Unterstützung für das Uno-Hilfswerk für die palästinensischen Flüchtlinge (UNRWA) könnte schwerwiegende Folgen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen, im Libanon und in der gesamten Region haben. Zahlreiche NGOs, darunter medico international schweiz, warnen eindringlich vor den Auswirkungen dieser Entscheidung.

Blick auf Zeltlager in Rafah, Süd-Gaza ©Mohammed Zaanoun (Activestills)

Über 1,4 Millionen Menschen im Gazastreifen sind laut der UNO-Nothilfekoordination OCHA direkt von einer Hungersnot betroffen und haben im September keine Nahrungsmittelrationen erhalten. Fast 300’000 Kinder im Alter zwischen 6 Monaten und 5 Jahren sind zum Teil stark unterernährt. Aufgrund der zerstörten Infrastruktur und der andauernden Bombardierungen ist die medizinische Versorgung im Gazastreifen fast komplett zum Erliegen gekommen. Der Zugang für Hilfsorganisationen wird von Israel stark beschränkt bis verunmöglicht, zuletzt durch die Entscheidung, den Generalsekretär der Uno zur «Persona non-grata» zu erklären.

Die UNRWA hat den humanitären Auftrag, den palästinensischen Flüchtlingen Hilfe und Schutz zu gewähren, bis eine gerechte und dauerhafte Lösung für ihre Notlage vorliegt. Die UNO-Organisation hat nach Vorwürfen Israels Reformen zur Sicherstellung ihrer Neutralität und Unabhängigkeit an die Hand genommen. Einzelne lokale Mitarbeitende, die der Nähe zur Hamas oder der Unterstützung des Angriffs auf Südisrael vom 7. Oktober 2023 verdächtigt werden, wurden entlassen. Zahlreiche humanitäre Organisationen haben in den letzten Monaten immer wieder bestätigt, dass keine andere Organisation oder Behörde die Aufgaben der UNRWA übernehmen kann.

Trotz dieser Situation hat der Nationalrat am 9. September 2024 vorgeschlagen, alle weiteren Schweizer Beiträge für die UNRWA einzustellen. Und das, obwohl der Bundesrat – nach Zustimmung beider aussenpolitischen Kommissionen − noch im Mai dieses Jahres dem Hilfsappell der UNRWA gefolgt war und eine erste Tranche von 10 Millionen Franken ausbezahlt hatte. Der Entscheid des Nationalrats ist nicht nur mit Blick auf die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen niederschmetternd, er ist ein Zeichen für die Abkehr der Schweiz von ihrer humanitären Tradition und von ihren Verpflichtungen im humanitären Völkerrecht.

Die Aussenpolitische Kommission des Ständerates (APK-S) diskutiert an ihrer nächsten Sitzung vom 24/25.10. zur UNRWA-Finanzierung. 
In einem offenen Brief fordert medico international schweiz gemeinsam mit zahlreichen Organisationen der Schweizer Zivilgesellschaft, darunter Amnesty International, Alliance Sud, Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit und das Forum für Menschenrechte in Israel / Palästina, die APK-S dazu auf, sich für die weitere Unterstützung der UNRWA auszusprechen.

Ein Rückzug der Schweiz und anderer Staaten von der Unterstützung der UNRWA inmitten der humanitären Katastrophe hätte verheerende Folgen. Wir dürfen die Menschen in Gaza und im Libanon nicht im Stich lassen. Die UNRWA ist ein unverzichtbarer Stabilitätsfaktor in der Region und stellt eine Grundversorgung für Millionen von Menschen bereit!