In El Salvador werden Frauen wegen einer angeblichen Abtreibung bis zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Hintergrund dieser unmenschlichen und frauenfeindlichen Praxis ist das absolute Abtreibungsverbot im Land. Es spielt keine Rolle, ob die Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Mutter darstellt oder Folge einer Vergewaltigung ist. Selbst Frauen, die Fehl- und Totgeburten erleiden, werden kriminalisiert: die Justiz wirft ihnen vor, heimlich einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen zu haben. Frauen, die aus armen Verhältnissen stammen, sind besonders betroffen. Ihr «Verbrechen»: eine junge, arme, alleinerziehende Frau ohne formale Bildung zu sein. Sie werden von vornherein als schuldig betrachtet und können sich keinen Rechtsbeistand leisten.

Mit Hilfe von internationalem und nationalem Druck wurden bereits mehrere Frauen nach langjährigen Haftstrafen in die Freiheit entlassen. Zusammen haben sie das Kollektiv «Mujeres libres» (Freie Frauen) gegründet: Ein Zufluchtsort für die entlassenen Frauen, deren Familien sich von ihnen abgewandt hatten; ein Ort, um erste Schritte zurück in die Gesellschaft zu wagen. Die Mujeres libres wollen ihre Widerstandskraft als Frauen stärken, Gehör erlangen, sich für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzen. Und sie kämpfen weiter für ihre noch immer inhaftierten Kolleg*innen: «Erst wenn alle frei sind, sind wir frei!» Seit 2022 unterstützt medico das Frauen-Kollektiv Mujeres libres. Sie wünschen psychosoziale Begleitung für sich und ihre Mitstreiter*innen und medizinische Betreuung der kranken Frauen. medico hat eine Brücke zur feministischen Organisation Las Mélidas hergestellt, die seit über 25 Jahren psychodramatische Gruppenprozesse begleitet. Zudem unterstützt medico die Mujeres Libres mit der Finanzierung von medizinischen Behandlungen bei Krankheiten und Folgen der mangelnden Gesundheitsversorgung während der Haft.

Innerhalb des Kollektivs der «Mujeres libres» hat sich die Theatergruppe «Mujeres de acero» (Frauen aus Stahl) gebildet. Gemeinsam erarbeiten die Frauen Theaterstücke, in denen sie ihre Erfahrungen aufarbeiten und ihr Publikum zum gemeinsamen Reflektieren von Themen im Zusammenhang mit sexuellen und reproduktiven Rechten einladen. Durch die Diskussionen mit dem Publikum leisten sie wichtige Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit. Dass die Frauen die Lebensrealität auf dem Land aus eigener Erfahrung kennen, verschafft ihnen einen Zugang auf Augenhöhe mit dem Publikum.

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Ausführende Partnerorganisation:

Seit 2023 existiert Mujeres Libres als legaler Verein. Das Frauenkollektiv hat sich jedoch bereits 2020 zusammengeschlossen. Die aus dem Gefängnis entlassenen Kolleg*innen unterstützen sich gegenseitig im Wiedereingliederungsprozess in verschiedene gesellschaftliche Bereiche wie Bildung, Wohnen, Gesundheit. Sie führen Workshops durch, um ihre Rechte besser kennen zu lernen und zu feministischen Themen und organisieren öffentliche Filmvorführungen, Diskussionen und Veranstaltungen, um über ihre Situation zu sensibilisieren. Ausserdem sind die Mujeres Libres international vernetzt, wie z.B. mit dem lateinamerikanischen Netzwerk von ehemaligen inhaftierten Frauen. Die Koordinatorin Teodora Vásquez, die selber wegen einer angeblichen Abtreibung zu einer Freiheitsstrafe von 30 Jahren verurteilt und nach 10 Jahren dank der Unterstützung von feministischen Organisationen frühzeitig entlassen wurde, ist Protagonistin des preisgekrönten Dokumentarfilmes "Fly So Far" (Celina Escher).